Hi,
was der Mensch ist, hat Kant so beantwortet: Was kann ich wissen? (Metaphysik), was darf ich hoffen? (Glaube) und was soll ich tun? (Ethik). Mensch sein bedeutet Handeln, Leben heißt entscheiden. Im Gegensatz zum Tier, das sich verhält und zu den Pflanzen, die sich entwickeln, handelt der Mensch. Er ist Autor seiner Handlungen, somit ist er für seine Taten auch verantwortlich. Moral ist der Grundsatz, nach dem der Mensch handelt, menschliches Handeln wird von seiner Moral bestimmt. Was moralisch oder unmoralisch ist, entscheidet der Mensch. Nur wann?
Moralisches Handeln ist angeborenDer Harvard-Forscher und Kognitionspsychologe Marc Hauser behauptet, allen Menschen sei der Drang zu moralischem Handeln angeboren: Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse ist nicht nur eine gesellschaftliche Konvention, sondern ein genetisches Grundbedürfnis. Woher kommt der Sinn fürs Gute, und wie funktioniert die „Grammatik“ der Moral? Nach seiner wissenschaftlicher Forschung stecken bereits moralische Grundregeln in uns, wenn wir das Licht der Welt erblicken. Unabhängig von Kultur, Bekenntnis oder Geschlecht gibt es ein fundamentales Normgerüst, das allen Menschen gemeinsam ist.
Selbst unsere behaarten Vettern, die Primaten, verfügen über einen Sinn für Fairness und Einfühlungsvermögen, zentrale Bestandteile der menschlichen Moral. Doch ob sie in Kategorien von Gut und Böse denken, ist zweifelhaft. Der Mensch dagegen verurteilt die Selbstbereicherung von Konzernbossen genauso wie Trickbetrüger, ist entsetzt über sexuellen Kindesmissbrauch und rügt notorische Lügner. Den moralischen Instinkt, der unser Gespür für das Rechte und Schlechte lenkt, prägt aber nicht die Umwelt, so Hauser.
Der MoraltestHauser dringt in das Innerste des moralischen Denkens ein, indem er Menschen mit Szenarien konfrontiert, die sie ethisch beurteilen müssen. Er hat einen Moraltest ins Internet gestellt, an dem bislang über 300.000 Personen teilgenommen haben. Die Antworten der Teilnehmer waren durchwegs erstaunlich konstant – unabhängig von Religion, Alter, Geschlecht, Ausbildung oder Herkunftsland. Dies deutet darauf hin, dass Menschen aufgrund desselben Regelwerks und Imperativen wie „Sei fair!“ urteilen. Zwar repräsentieren Hunderttausende Internetsurfer nicht die komplette Menschheit, doch inzwischen führt Hauser auch Tests mit Nomadenvölkern durch – mit vergleichbaren Ergebnissen.
Kein Mensch kommt böse auf die WeltAus dieser Forschungsarbeit lässt sich ableiten, dass kein Mensch als „böser“ Mensch auf die Welt kommt. Die Programmierung ist also darauf ausgerichtet, vereinfacht ausgedrückt, dass Mensch sich anständig und hilfreich verhält. Nur zeigt sich in der Praxis, dass diese Programmierung nicht immer ausreicht, um auf der „guten“ Seite zu bleiben. Die soziale Prägung durch das Umfeld, die nicht oder nur unzureichenden Möglichkeiten der eigenen Entwicklung, die ungerecht empfundene Verteilung der Güter, das Gefühl der ungerechten Behandlung, das Vormachen krimineller Handlungen durch die Lenker und Leiter einer Gemeinschaft, eines Landes, eines Staates – all diese vorgelebten Verhaltensweisen können dazu führen, die Seite zu wechseln.
Aus Untersuchungen von Straftätern mit langjähriger Praxis geht hervor, dass die innere Moralanzeige mit der Häufigkeit und Dauer der eigenen, unmoralischen Handlungen abnimmt. Ob sie ganz verschwindet, könnten nur diese Menschen beantworten.
Einmal „böse“, immer „böse“? Das ist wohl auch eine Frage von Angebot und Nachfrage.
Hier der Link zum Internettest:
http://wjh1.wjh.harvard.edu/~moral/index.htmlGruß von John U. Doe