Hi,
Puppen können nur durch Bauchredner sprechen, oder sie werden wie in der Augsburger Puppenkiste von Menschen an Fäden bewegt und erhalten von ihnen ihre Stimme. So die allgemeine Kenntnis über Puppen. Ich habe eine andere Erfahrung gemacht. Den Namen und die Gestalt der Puppe habe ich geändert, um Undercover bleiben zu können.
Der Beginn der nonverbalen Kommunikation
Während eines Kommunikations-Seminars erlebte ich eine Teilnehmerin während einer Pause, wie sie ihre Puppe herausholte – und durch die Puppe mit uns sprach. Diese Puppe hatte zwei Arme als offene Ärmel, in die Mensch mit seinen eigenen Armen hineinschlüpfen konnte. Und es gab die Möglichkeit, mit einer Hand in den Hinterkopf der Puppe greifen zu können, um ihren Kopf und ihre Mimik zu bewegen.
Mein erster Versuch
Ich war begeistert. Natürlich wusste ich, wie das funktioniert, dennoch schaute ich bei der ersten kleinen Vorführung ausschließlich auf das Gesicht dieser Puppe und ihre Arme. Einen Tag später fragte ich die Mitteilnehmerin des Seminars, ob ich das auch einmal versuchen dürfe. Ich bekam die Puppe in meine Hände und versuchte es nonverbal. Nur durch Gestik und Mimik versuchte ich den anwesenden Menschen etwas mitzuteilen. Es gelang ganz gut, ich war fasziniert.
Sie kam zu mir nach Hause
Nach dem Seminar bestellte ich genau diese Ausgabe der Puppe und freute mich wie ein kleines Kind, als ich den Karton öffnen durfte. Ich ging sofort in einen Arm und den Kopf, um leise mit einem imaginären Publikum zu kommunizieren. Immer wieder holte ich Sam in den nächsten Wochen zu mir, um diese Art der Kommunikation zu üben.
Unser erstes Gespräch
Sie erhielt von Beginn an einen Platz in meiner Wohnung, von dem sie alles sehen konnte. Mal in einem Wohnzimmer, im Schlafzimmer, oder auf der Fensterbank, um nach Draußen schauen zu können. Anfangs machte ich es so, wie ich es für richtig hielt. Dann bekam ich den Eindruck, Sam spricht mit mir. Eigentlich heißt sie Samantha, sie wollte aber Sam genannt werden.
Ich ging auf ihre Wünsche ein
Wir begannen uns auszutauschen. Ich fragte sie immer häufiger, wie geht es dir, ist der Platz ok, oder möchtest du woanders sitzen. Gab es einen Wunsch von Sam, woanders hin zu wollen, machte ich es sofort. Und ich ging in ihren Blickwinkel, versuchte mit ihren Augen zu schauen. So wollte Sam einmal gerne den ganzen Raum sehen und gleichzeitig aus dem Fenster sehen wollen. Ich probierte mehrere Sitzpositionen aus und Fragte Sam immer wieder, ist es jetzt ok. Auch wenn Sam gesagt hat, so ist es gut, habe noch einmal geschaut, ob es nicht noch besser ginge.
Vor einigen Wochen fragte mich Sam sehr zaghaft, ob sie auf dem Balkon sitzen dürfe. Natürlich sagte ich, es ist aber kalt da draußen, gab ich zu bedenken. Ich bin eine Puppe, ich kann nicht frieren, war ihre Erwiderung.
Sie sah von dort den Baum, mit ich auch Gespräche geführt hatte. Was das zu bedeuten hatte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Kann ich wieder reinkommen, fragte mich Sam etwas später. Natürlich, ich holte sie wieder in die Wohnung.
Der Abend des Abschieds
Dann kam der Abend, der mir ans Herz ging. Sam sagte mir, sie möchte jetzt gehen. Sie sagte zu mir, ich möchte nach Hause, bring mich bitte zu dem Baum. Ich war fassungslos. Ich stellte keine Fragen. Ich nahm Sam in den Arm. Meine letzte Umarmung.
Ich ging mit Sam hinaus in den Garten, wir gingen zu dem Baum. Sie zeigte mir genau den Platz, wo sie sitzen möchte. Ganz schweren Herzens setzte ich Sam dort ab. Und ging, ohne mich umzudrehen, das wollte Sam nicht.
Als ich zurück in der Wohnung war, fing ich an zu weinen, wie noch nie in meinem Leben. Als ob meine beste Freundin beschlossen hätte, weg von diesem Planeten gehen zu wollen. Jetzt beim Schreiben, kommt das alles wieder hoch, ich fange wieder an zu weinen.
Dein Freund